OTTO MÖHWALD
Leise, sanft und zurückhaltend, bisweilen leer und gegenwartsunabhängig wirken die Bilder Otto Möhwalds.
(Stadt)-Landschaften, Akte und Interieurs sind bevorzugte Bildgegenstände des Künstlers.
Dabei ist der Betrachter aufgerufen genau hinzusehen um assoziieren zu können, denn die Geschlossenheit und Strenge, die die Werke ausmachen, machen die Form des Elementes deutlich. Dabei ist die Distanz zum Gegenstand von besonderer Wichtigkeit. Diese schafft Möhwald besonders durch Abwesenheit. Abwesenheit von Menschen in der Stadt, von alltäglichen Momenten im Interieur, von Blicken des Aktes. Daraus entspringt eine atemberaubende und ergreifende Ruhe, die der puren Existentialität Gewicht gibt und den Werken eine Ausstrahlung des Anhaltens gibt.

MARTIN MÖHWALD
Der Keramiker Martin Möhwald ist ein ganz Großer der zeitgenössischen Keramik.
Möhwald ist Mitglied einer künstlerisch hochbegabten Familie.
Sein Vater Otto Möhwald war Maler, seine Mutter Gertraud Möhwald, wie er, Keramikerin.
Während Gertraud Möhwald sich im Laufe ihrer Karriere figurativen Plastiken zuwandte, blieb der Sohn immer bei der Gefäßkeramik. Seine Objekte sind für den Gebrauch bestimmt. Um die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle lebt ein Kosmos kreativer und erfolgreicher Künstlerinnen und Künstler. Er ist dieser Stadt treu geblieben: vor und nach 1989, kehrte er von Symposien und Einzelausstellungen, die ihn unter anderem in die USA, nach China und Curaçao führten stets zurück und schuf seine einzigartigen
Keramiken: Teekannen und Schalen, Vasen, Krüge, Wandteller. Er sagt: „Oft lasse ich meine Werkstatt so aussehen, also ob ich verreist bin. Ich will ja arbeiten.“ Was zeichnet seine Arbeiten aus? Möhwald macht Kunst, die alltagstauglich und schön für Sonn- und Feiertage ist. Seine Arbeiten sind zugleich auch Gebrauchsobjekte. Das mag auch daran liegen, dass er von 1970 bis 1972 seine Ausbildung zum Scheibentöpfer in den von Hedwig Bollhagen geleiteten HB-Werkstätten für Keramik
in Marwitz absolvierte. Er schöpft allerdings keine Massenware, kein Stück gleicht dem anderen.

 

Helmut Brade

 

Halle, am 29. Januar 2022

 

Zeitkunstgalerie

 

Thomas Wittenbecher liest

Heiner Müller:

Es ist durch nichts erwiesen, dass der Mensch auf der Erde das

herrschende Lebewesen ist. Vielleicht sind das ja die Viren, und wir sind

nur Material, eine Art Kneipe für die Viren. Der Mensch als Kneipe, eine

Frage der Optik.

H.B. spontan

Volker Braun

Nicht Vulkane, Viren werden unser Untergang sein. Nicht Plinianische

Eruptionen, die Camusische Pest.

 

Zu Otto Möhwald

Was macht Otto Möhwalds Malerei so wertvoll? Es ist doch bestimmt

nicht die Topographie seiner Straßenbilder oder die Archivierung

menschlicher Körper oder Gesichter. Seine Flure kennen wir inzwischen

sehr gut, müssen wir die kennen? Ein nicht einmal beschriebenes Blatt

Papier, das zufällig auf einem Hocker liegt, wird Malerei. Hat er denn gar

keinen Inhalt?

So lieb ist der Liebe Gott nun auch wieder nicht, daß er dem, der

keinen Inhalt hat, die Form schenkt. So sieht es Alfred Hrdlicka.

Was ist nun dann eigentlich Möhwalds Inhalt? Es ist die Haltung zum

Leben, zur Welt selbst, zu Räumen, zu dem unbegreiflichen Da-Sein

überhaupt. Und es ist eine tiefe stille Ehrfurcht vor der „Schöpfung“ selbst.

Warum? Warum? Und doch!

Wir sind da, und das ist nicht nur ungeheuerlich, sondern auch schön,

im Grunde ein erstaunliches Geschenk. Ich behaupte nun, dass das Inhalt

sein kann, und dass es möglich ist, einen solchen Inhalt über Kunst, zum

Beispiel mit Musik, und eben auch mit Bildern oder Lithographien

sichtbar zu machen. Wenn die äußerlich so harmlosen Bilder von Otto

Möhwald in naher Vergangenheit ärgerlich wurden, (es wurde tatsächlich

hier in Halle eine Ausstellung geschlossen), kann es nur damit

zusammenhängen, dass sie etwas ausdrücken, das politisch nicht

verwertbar war, eher irritierend und sogar unfassbar. Und, dass man mit

diesen Bildern sehr gut leben kann, das hat denselben Grund. Es sind

meditative Räume, die sich erschließen und die immer da sind, zeitlos,

abgrundlos. Und sogar schön.

 

Zu Martin Möhwald

Ken Mogi:

Die Japaner haben die Kunst der Keramik immer geschätzt. Schalen, die

für Teezeremonien verwendet werden, werden seit Jahrhunderten

besonders verehrt. Wenn sich Feldherren einst in der Schlacht einen

Namen erfochten hatten, erwarteten sie berühmte Teeschalen als

symbolische Belohnung. Es wird sogar behauptet, dass einige dieser

Krieger enttäuscht gewesen seien, als sie statt einer kostbaren Schale nur

ein Schloss und eigene Ländereien erhielten.

Martin Möhwald ist ein Arbeiter. In seinem kleinen Haus in Kröllwitz

hängt im Eingangsbereich der Meisterbrief. Er ist Handwerksmeister. Er

ist kein Autodidakt, kein Hobbykünstler. Studiert hat er allerdings nicht.

Jedenfalls nicht an unserer berühmten Kunsthochschule. Er hat überall

studiert, als Kind zu Hause, als junger Mann in Marwitz bei Velten in

hochkünstlerischer Atmosphäre, und dann in der ganzen Welt. Es gibt die

Weltfamilie der Keramiker, er gehört dazu.

In seiner Werkstatt hängen zwei große Ölbilder: Bachmann, Möhwald.

Dann gibt es noch eine große keramische Figur von Gertraud Möhwald.

Im Schaufenster stehen absonderliche Keramiken der Weltfamilie, Halle

eingeschlossen. Dann gibt es noch allerliebste kleine chinesische

„Hochzeitsgeschenke“, verborgene Anleitungen ehelichen Intimlebens,

vieldeutig, geheimnisvoll, eindeutig. Er hat einige ausgestellt, Früchte, die

es in sich haben. Tomaten, Auberginen Erdnusskerne, nun mal nicht

verborgen, von Martin für kurze Besichtigung freigegeben. Weltkunst.

Daneben noch eigene Miniaturen, kleine Steine, Straßenschotter, mit

einem „Schnitzmesser“ für eine Ostmark, Künstlerbedarf, zu

Schmuckstücken verwandelt. Man sollte sie sich genau angucken. Da

sitzt er nun und arbeitet. Ich beobachte das seit Jahren. Es gibt eine

erstaunliche Kontinuität und immer etwas überraschend Neues.

Neuerdings sind seine Werke etwas farbiger geworden, ich hätte es nicht

für möglich gehalten. Und alles ist schön.

Es lebt in einer Welt Maßstab setzender Kunstwerke und trinkt Grünen

Tee dazu. Der Tee kommt nicht aus Ammendorf, obwohl es auch da

Maßstab setzende Kunstwerke gab und gibt; Gertraud Möhwald hatte dort

ihre Werkstatt. Wir sehen auch hier einige ihrer Werke, die zwischen freier

Plastik und unfreier Keramik auf wunderbarste Weise oszillieren. Der Tee

also kommt aus dem fernen China. Und dort war Martin auch schon selber

und hat auf abenteuerlichen Märkten mehr oder weniger kaputte Teller und

Schälchen gekauft. Damit umgibt er sich nun auch noch zu Hause. Es gab

eine Zeit, wo ein kaputter Teller so wertvoll war, dass er nicht gleich

weggeworfen wurde. UHU-Plus gab es noch nicht, dafür Handwerker, die

aus Scherben Kunstwerke wiederherstellen konnten, die davon mitunter

noch schöner wurden. Er hat mir zwei solcher Teller geschenkt. Man kann

sie benutzen. Sie sind uralt. Unvorstellbar schön, auch die Rückseiten. Die

Form ist schön. Warum? Es geht um Millimeter, nichts ist zufällig, uralte

überlieferte Kenntnisse sind auf natürliche Weise eingeflossen, auch

Demut und Askese. Bemalung muss nicht sein, aber sie ist oft die

Steigerung in eine höhere Sinnesebene. Gern würde ich mal die Künstler

und alle Vorbesitzer einladen.

Wer zwischen solchen Scherben lebt, und ihren Wert versinnlicht, kann

nichts Hässliches ertragen und schon gar nicht selber machen. Das ist das

Geheimnis von Martin Möhwald. Er ist ein Arbeiter mit goldenen Händen.

In Japan würde er zum „Lebenden Staatsschatz“ gehören. Er lässt uns

teilhaben, seine Werke sind da, eben auch hier, in dieser schönen Galerie.