Rüdiger Giebler
„Langeweile gibt es nicht!“ (Rüdiger Giebler)
Seine Malerei entsteht vielschichtig, aus überlagerten Skizzen, Farbpfützen, Zufälligem und klar konturierten Korrekturen. Fertig sind seine Bilder dann, wenn sie von alleine leuchten. Giebler versucht dem Postexpressionismus in der Gegenwartskunst einen festen Platz zu sichern. (Kunstverein Wiligrad)
Biografie
Rüdiger Giebler machte von 1974 bis 1976 eine Landvermesserlehre. Von 1980 bis 1986 studierte er an der Burg Giebichenstein in Halle Bildteppichgestaltung bei Inge Götze und Malerei und Grafik bei Frank Ruddigkeit. Er schloss 1986 mit einem Diplom als Maler und Graphiker ab. Seit 1986 ist er freischaffend in Halle. Von 1991 bis 1995 war er Leiter der städtischen „Galerie am Alten Markt“ in Halle. 1997 bekam er ein Stipendium der HAP-Grieshaber-Stiftung in Reutlingen.
Rüdiger Giebler versteht sich als Vertreter des resistenten Postexpressionismus. Er arbeitet hauptsächlich an großformatigen Ölbildern, daneben stehen Zeichnung und Gouache als eigenständige Zuarbeit zur Malerei. Giebler hat in 25 Städten ausgestellt, darunter in Dresden (1986), Leipzig (1987 und 1990), Halle (1990, 1994, 1996, 1998), Aschersleben (1999), Frankfurt am Main (1996), Berlin (1997), Erfurt (1999) und in Reutlingen im Städtischen Kunstmuseum Spendhaus (1997). Giebler kuratiert Ausstellungen und veröffentlicht Werke über Künstler.
Austellungen
1990 Halle (Saale), Galerie Alter Markt
1992 Ballenstedt, Schloß mit Moritz Götze
1994 Jena, Galerie im Stadthaus
Halle (Saale) Foyer-Galerie im Neuen Theater
1996 Brüssel, Wirtschaftsvertretung des Landes Sachsen- Anhalt
1997 Reutlingen, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus
1998 Halle, Zeitkunstgalerie
1999 Aschersleben, Grauer Hof
2001 Magdeburg, “Strassenkreuze”
Photodokumentation zusammen mit Karin Jarausch, mdr-Funkhaus
2002 Konstanz, Altana
Sonneberg, Galerie der Stadt Sonneberg
Halle, Künstlerhaus 188
2003 Wasserschloß Angern
2005 Aschersleben, Grauer Hof
2007 Wernigerode, Kunstverein
2008 Halle, Zeitkunstgalerie
2009 Halle, Galerie Nord
2010 Kunstverein Röderhof
2018 Grand Tour Galerie Cyprian Brenner, Schwäbisch Hall, mit Moritz Götze
Rüdiger Giebler: Langeweile gibt es nicht
Von Andreas Montag, 23.07.2018
Halle (Saale) – Die Wege sind kurz, der Himmel über Giebichenstein ist offen. Vom beheizbaren Winteratelier führt eine Stiege hinauf zum Arbeitsplatz für die wärmeren Tage, eine alte Glasfront an der Stirnseite zum Hof und ein Oberlicht sorgen dort für Helligkeit. Ein Tischler hat hier vor Zeiten sein Brot verdient, nun sind die Räume die Heimstatt für die fantastischen Bildwelten des halleschen Malers Rüdiger Giebler.
Von der Werkbank führt ein schmaler Gang hinüber zur Wohnung des Künstlers, im kleinen Innenhof hängt, wie ein Schwalbennest, ein Ruheplatz zum Lesen und Reden. Giebler ist ein leidenschaftlicher Leser. Und das, obwohl (oder gerade weil?) die Malerei eine wortlose Kunst ist, wie er sagt. Es gebe wenige Bezüge zur Literatur, die er so liebt. Aber gemeinsame Hintergründe?
Ernst Jünger und Philip Roth
Saul Bellow, John Updike, Uwe Johnson, Arno Schmidt und Ernst Jünger nennt Giebler als seine Favoriten. Nicht zu vergessen Philip Roth, den jüngst verstorbenen amerikanischen Großautor, der den Nobelpreis leider nie bekommen hat. Der Maler hat eine interessante Vermutung zu den Gründen: Roth, für herzerfrischende Schamlosigkeit bekannt, würde, hätte man ihm den überfälligen Preis zuerkannt, nach der Verleihungszeremonie akribisch darüber berichtet haben, wie es bei Königs und in der Schwedischen Akademie denn so zugeht – zumindest hätten die Herrschaften das wohl befürchtet.
Gieblers These ist zwar schwer beweisbar, hat aber Charme und Hintersinn. So kennt man ihn von seinen launig-verschmitzten, hoch gebildeten und meist in prägnanter, schwungvoller Kürze gehaltenen Reden, die er gelegentlich zur Eröffnung von Ausstellungen etwa in der halleschen Zeitkunstgalerie hält. Oder auch mal in eigener Sache, wenn er mit seinem Freund Moritz Götze wieder unterwegs ist auf ihrer unendlichen „Grand Tour“.
Die führte das hallesche Gespann schon nach Australien, aber auch Naumburg und Saarbrücken stehen auf dem langen Zettel. Eines gibt es garantiert nicht, wenn Giebler über Kunst philosophiert: Langeweile. Die kommt auch in Betrachtung seiner Bilder nicht auf: Lebhaft farbig und expressiv, obgleich Giebler das Gegenständliche doch nicht verlässt.
Er ist ein Menschenmaler, aber sein Personal entspringt der Imagination, nur selten lugt, wie im Falle des Berliner Schriftstellers Peter Wawerzinek, der auch einen Koffer in Halle hat, ein „echtes“ Porträt aus diesem faszinierenden Werk, das sich seine eigene Mythologie erschafft.
Da hocken zwei Frauen, halbnackt, auf und neben einem Wal. Die Hintere umklammert die Sitzende, eine stattliche Dame, in der Art, wie ein Sozius sich mit den Händen am Motorradfahrer hält – oder will sie sie fortziehen? Selbst an eine Gebärszene mag man hier denken, vielleicht eine Assoziation des Künstlers über den eigenen Schaffensprozess?
Man kann Giebler kichern hören angesichts mutiger Interpretationsversuche. Ihn selbst mag man im Hintergrund des Gemäldes unter den Betrachtern der Szene vermuten, die etwas eindeutig Theatralisches an sich hat.
Nicht anders verhält es sich mit jener hünenhaften Frau, die am Strand so ernsthaft mit dem Spaten arbeitet, als gelte es, hier und jetzt die Zukunft ein für alle Mal zu begründen. Ihr Kind steht abwartend dahinter, während ein Mann (ihr Mann?) anderweitig beschäftigt ist. „Bilder zu malen ist ein Geschäft für einen, der allein sein will“, sagt Giebler. Spannung empfindet er, wenn sich sein Malgrund zu beleben beginnt, eine Komposition aus Farben, Formen und Figuren wächst. Und vielleicht am nächsten Tag übermalt wird. Neu begonnen. Anders. Der Dialog mit dem eigenen Werk, wie Giebler diesen Prozess nennt. Ansonsten: „Ich habe keine Lust auf Diskurs, eigentlich“, winkt er ab.
Hang zum Sarkasmus
Soll man ihm das glauben? Wohl doch, auch wenn Giebler ein trockener Ironiker ist - mit Hang zum Sarkasmus. Der Mann ist von eigener Konsequenz. Er hält auch nicht viel von der These, dass Malerei und Musik etwas miteinander zu tun hätten: „Bei mir nicht. Ich höre nur Nachrichten“, gibt er Bescheid.
Zum Alleinsein zog es ihn beizeiten. Einen Beruf, der ihn unter Kollektivzwang gestellt hätte, mochte er sich nicht vorstellen. Also wurde er Landvermesser. Später studierte Giebler an der Burg, gezeichnet hatte er immer und war auch ermutigt worden.
Und nun, als gestandener Künstler – wie fühlt er sich? Nicht unwohl. Auch frei. Wobei ihm der Nimbus der Kunst, den sie für ihre Freunde wie für argwöhnische Parteisoldaten in der DDR hatte, verloren zu gehen scheint. Schon seit Mitte der 70er Jahre habe man die Maler im Osten weitgehend in Ruhe gelassen, wenn sie nicht gerade so frech wie Wasja Götze waren. Der wohnt nebenan. Die Wege sind kurz.
Im Westen hingegen herrsche die Unverbindlichkeit. Es klingt nicht einmal resigniert, Giebler macht das Beste für sich daraus: Bilder. Er wünschte seiner Stadt freilich mehr Farbe und lobt sich die verbliebenen Künstlerkolonien im Burgviertel und in Kröllwitz. In einer davon wohnt er selbst. In der anderen sein Freund Moritz. Da fängt die Grand Tour vor der Haustür an. (mz) Andreas Montag