Bernd Papke und Steffen Ahrens genießen das Privileg in zwei der schönsten Ferienregionen Sachsen-Anhalts zu leben. Papke in dem ehrwürdigen Harzstädtchen Rieder, zwischen Ballenstedt und Gernrode gelegen, in der Gegend wo Anhalt erst erfunden wurde.

Und Steffen Ahrens in dem Dörfchen Rumpin, im lieblichen Saaletal zwischen Wettin und Friedeburg, dort wo Klopstock als Kind das Schlittschuhlaufen erlernt und damit der deutschen Dichtung die Empfindsamkeit und Aufklärung auf die Kinderbeine geholfen wurde.

Ich habe beide besucht. Das sind keine Ateliers, was sie da nutzen, so etwas wird in Immobilienbeschreibungen als komfortable Ferienresidenz geführt.

Es stellt sich ein gewisser Neidfaktor ein.

Zum Ernst der Sache.

Der Plastiker Steffen Ahrens arbeitet an einem Thema: Der Selbstverständlichkeit des Körperlichen – der Mensch als ein in sich geschlossenes Universum. Plastiker denken über Körperformen nach. Was ist und was könnte sein. Der Mensch sitzt rum und hält sich ne Hand an den Kopf. Seine Silhouette ist ein Oval. Ob die Figuren stehen, schreiten, verharren – immer ein fließendes Bild. Die Hände zeigen oder greifen nicht in einen ungewissen Raum. Sie schirmen sich ab vor dem Betrachter, verweisen auf sich selbst, umschreiben den nahen Kreis der körperlichen Autonomie. Die gewölbten Handflächen beschützen die Kernzone der eigenen Aura. Der Mensch bleibt bei sich.

Das sind dreidimensionale Menschenbilder, irgendwo zwischen Ermattung und Entspannung. Ahrens sucht das wahre Ideal, das Bild der in sich ruhenden Selbstgewissheit. Des Körpers, der sich jeglicher Optimierung verweigert. Ahrens Plastiken sind keine Schaustücke. Die Körper sind weder trainiert noch deformiert. Die Bestform ist etwas von vornherein Gegebenes. Das ist der Mensch vor der Vertreibung aus dem Paradies, die Körper bevor der Wahnsinn anfängt, bevor Arbeit, Müßiggang, Völlerei, Sport und Folter erfunden wurden. Dazu sehen wir immer wieder Torsi. Der Torso zeigt die Fragilität der Idee, das Ganze einer Person zu erfassen. Das Unfertige jeglicher Anschauung, jedes Bildes. Die rudimentäre Arbeit. Die für immer maßgebende antiken Plastik ist in den meisten Fällen nur in Bruchstücken überliefert. Wer darauf schaut, wird ermahnt, dass jedes unserer Bilder nur aus Fragmenten zusammengesetzt ist.

Und dass es einen unzerstörbaren Rest gibt. In den alle Möglichkeiten abgespeichert sind. Torsi sind reine Körperlandschaften. Der Rumpf ohne Extremitäten. Die offenen Stellen der vom Körper abgetrennte Teile ergeben Wunden ohne Narben, zerfetztes Fleisch und und offene Knochenbrüche sind nicht zu sehen. Sichtbar sind Brüche im Material, Brüche im Stein oder Gips. Das Fehlende ist der versinnbildlichte Phantomschmerz der Kunstidee. Steffen Ahrens pflegt einen Konservatismus bester Art. Das alles neu und rein sein soll ist eine Marketing Erfindung des Industriezeitalters. An Wilhelm Lehmbruck kommt man nicht vorbei. Wieso auch nicht, das sind Vorlagen von klarster Reinheit, ein Werk das einem nicht mehr loslässt, verständlich – damit wird man nicht fertig. Es gibt Werke die sind erschlagend endgültig: Caspar David Friedrich, Max Beckmann oder Paula Becker. Künstler die Wege finden, die zwingend  erscheinen, dass man die gar nicht mehr verlassen will oder kann.

 

Zu den Bildern: Bernd Papke:

Das Kind nimmt an, dass die Dinge verschwinden, wenn sie von ihm nicht gesehen werden. Das ist der unschuldige junge Blick, für den alles groß und neu ist, er beleuchtet die Welt aus jungen Augen. Der Wiesengrund, die Steine und das Holz am Spülsaum, die Schneise im Strandwald, die sich in das Blau der See öffnet, die Buhnen, über die man eigentlich nicht balancieren soll.

Die Welt hängt von ihm ab. Das legt sich. Wenn wir ausgewachsen sind, richten wir uns ein in einer verfügbaren Welt. Spät erst drückt die Erkenntnis, dass alles noch lange so bleibt wie es ist, nur wir verschwinden. Dafür kommen die Windräder. Papke sucht und zeigt diese unschuldigen Bilder.

Bernd Papke pflegt anachronistische Drucktechniken in einer Welt voller virtueller Räume. Das sind Monotypien und aufwendige Holzschnitte aus der verloren Form. bei dieser Arbeit hat man Zeit zum Nachdenken. Als Hilfsmittel und Gedächtnisstützen liegen unter den Bildern photographische Aufnahmen. Momente die nicht vergehen sollen. Von Erlebnissen, die erst erinnert werden wenn man die Urlaubsphotos weiterreicht. Der Holzschnitt ist das bedächtige Abarbeiten des Augenblickes. Das Schnelle in das Langsame verwandeln. Das sind die Momentaufnahmen, die nicht liegenbleiben sollen. Das ist wie Steine, Holz, Muscheln am Strand aufsammeln.

 

Auch über seine Malerei legt er eine Holzmaserung. Er druckt Platten auf die Zwischenschritte der Bilder. Etwas Dauerhaftes wird über den flüchtigen Augenblick gelegt. Etwas das sich den gestischen Effekt des Pinselstriches relativiert. Die Holzplatten sind von einem rechtwinkligen Linienraster durchzogen. Wie vorgestanzte Faltkanten für ein rätselhaftes Endprodukt.

Der Holzdruck relativiert jede flüchtige Geste der Malerei, das Bild bekommt mit der eingearbeiteten Maserung ein Siegel des Zeitlosen. Papke lässt den photographischen Moment verholzen. Von den langsam über Jahrzehnte gewachsenen Wellen der Jahreslinien überlagern.

Die Bilder zeigen eine beneidenswerte Gelassenheit. Papke dreht auch ein wenig die Zeit zurück.

Bei ihm ist Urlaubszeit. Er sucht am Strand nicht den Sonnenbrand sondern die Melancholie. Der Individualreisende Künstler Caspar David Friedrich bewegte sich auch immer außerhalb der Hauptsaison. (Rüdiger Giebler am 03.08.2024)

BERND W. PAPKE

1960           geboren in Quedlinburg

1977-1980  Lehre als Werkzeugmacher

bis 1988     Tätigkeit als Werkzeugmacher

1988-1989  Vorpraktikum in den Glaswerkstätten in Quedlinburg

1989-1995  Studium an der Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle,           

                   Fachrichtungen Malerei und Glas

1995-1997  Meisterschüler ebenda

seit 1997    freischaffend tätig in Rieder bei Quedlinburg

 

Ausstellungen und Beteiligungen:

Halle, Quedlinburg, Plauen, Magdeburg, Immenhausen, Hameln,

Insel Meinau, Karlsruhe, Wolfenbüttel, Braunschweig, Bonn, Nordhausen…

STEFFEN AHRENS

Steffen Ahrens kam 1962 in Rostock zur Welt. Nach Elektrikerlehre und Grundwehrdienst bei der NVA lernte er 1985-87 in Magdeburg Steinmetz, mit erstem Kontakt zum Bronzeguss. 1985-1993 war er Student und Meisterschüler bei Bildhauer Prof. Bernd Göbel an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein Halle. 1996 gewann Ahrens den Förderpreis der Deutschen Telekom. 1996-97 war

er Leiter der Bronzegießerei der Burg Giebichenstein, 1997-2002 Assistent bei Göbel. Seit 2002 Ausbau eines historischen Bauernhofs in Rumpin (bei Halle), lebt dort mit Familie als Bildhauer und Bronzegießer.