MAYA FENDERL - Keramische Plastik + BRUDLOFF - Malerei
Die Eröffnungsrede von Rüdiger Giebler
Nachdenken über Landschaften
Landschaftsmalerei, das waren lange Zeit Urlaubsbilder. Bilder aus einer Zeit, als die Erweiterung des Bildungshorizontes noch als Alibi gebraucht wurde, um mal rauszukommen. Das Land wo die Zitronen blühen, wo alle hinwollten. Die Schweiz, wo alle durchmussten und das Erhabene der Natur auf dem Brenner-Pass existentiell erlebten. Die Bilder brauchte man, um sich vor den daheim Gebliebenen zu rehabilitieren und weil solche Reisen nur einmal im Leben gemacht wurden – und noch nicht jedes Jahr in den Herbstferien.
Mit dem Impressionismus kamen die Wochenendausflugbilder dazu.
Die Natur lag vor der Stadt und der Impressionist stellte sich vor seiner Staffelei die Jahrhundertfrage: „Was macht das mit mir“. Dann kam der Expressionismus mit Nackedeis und Südsee Romantik. Die Politische Landschaft tauchte früh im Schlachtengemälde auf. Das Terrain als Aufmarschgebiet und der Befehlshaber auf seinem Schimmel auf hoher Warte über dem Getümmel. Hinter Staub, Explosionen, Schanzwerk, marschierenden Kolonnen unter ihren Fahnen und kreuz und quer liegenden zerschossenen Gerät war kaum noch Landschaft zu erkennen.
Die Briten schicken seit jeher Kunstmaler mit auf jeden Feldzug. Mal schauen ob da ein Budget im Sondervermögen eingeplant ist. Frau Bursian wird uns wohl bald Bescheid geben.
Landschaft war lange Zeit nur Kulisse. Kulisse für die, in die jeweilige Gegenwart gezerrten, antike Götter und Heldengeschichten. Wald und Wiese brauchte man als Hintergrund für Diana auf der Jagd und für Schäferstündchen.
Landschaft als Kulisse. Kulisse nicht nur im theatralischen Sinn. Daß da hinter den Schauspielern Pappwände verschoben werden, ist noch nicht vorbei. Die Degradierung der Landschaft als Kulisse ist Praxis in jeder Krimiseifenoper, gedreht vor der malerischen irischen, skandinavischen, neuseeländischen Kulisse.
Da wo Kunst E statt U sein will, hat das Bild der Landschaft als Expeditionsbericht ausgedient. Der Blick richtet sich nach innen.
Und was sehen wir in dieser Ausstellung. Horizontlinien und Bruchkanten. Und einen rätselhaften Perspektivenknick in fast jedem Bild. Wandert der Blick von oben nach unten, wird man beruhigend im oberen Teil mit gewohnten Landschaften ins Bild eingeführt. Der Horizont windet sich über eine imaginierte Küstenlinie, über Endmoränen oder eine Seenplatte, Mittelgebirge und den Petersberg. Nichts was beunruhigt, gehalten in den erprobten gedeckten Tönen hallescher Malerei.
Darunter liegt ein Bruchfeld, als würde die Perspektive zur Draufsicht abstürzen. Das zeigt sich immer wieder ein seltsames Raster, wie eine Anordnung von Sedimentproben, schlammigen Parzellen, Schollen, Abklingbecken, Deponien, Endlager.
Brudloff spricht selbst vom UNFASSBAREN des HORIZONTes.
Der Horizont ist die Kante der Sichtbarkeit. Darunter liegen die Brüche, verfüllte Schächte, schlecht vernarbte mitteldeutsche Braunkohlenrestlöcher, Deponien und Gruben. Alles worüber Gras wachsen soll.
Das berühmteste Bild Caspar David Friedrichs ist genau ein solcher Perspektivwechsel: „Die Kreidefelsen auf Rügen“. Bis dahin ging der Blick in der Malerei immer bergauf, oder wenigstens geradeaus. Auch bei Friedrich verschwimmt die Horizontlinie im Dunst des oberen Bildteiles, das Frappierende ist der tiefe Blick in den Abgrund. Der Blick senkt sich – oben die Idylle und dann der Sprung über die Abbruchkannte.
Es tut mir leid, mein Text besteht fast nur aus Abschweifungen. Aber: Landschaftsbilder werden nun mal gemalt, damit die Gedanken durcheinanderpurzeln.
Keramik
Viele haben das Gefühl in einer Welt ohne gute Orientierungen zu leben. Aber es gibt Hoffnung, der bayrische Staat weiß offensichtlich genau was er tut. Er hat Maya Fenderl den „Bayerischen Staatspreis für besondere Leistungen im gestaltenden Kunsthandwerk“ verliehen.
Und das noch bevor sie ihr Diplom an der Burg gemacht hat. Auf das hätte sie ja dann verzichten können. Aber Maja Fenderl bringt die Dinge gern zu einem ordentlichen Abschluß. Es ist also eine doppelte Ehre für die Burg, dass sie nicht gleich die Koffer gepackt hat.
Der bayrische Staat sagt, dass mit dem Preis, in erster Linie Formgebung und Qualität der Ausführung bewertet wird, um künstlerische Kreativität und besondere handwerkliche Kunstfertigkeit zu würdigen. Genauer werden die da nicht.
Sie hätten auch sagen können, dass sie sich erschrocken haben vor den Keramiken.
Das sind Explosionen, es wuchert, quillt, das wächst wohin es will.
Das sind Vasen, die den Geburtstagsstrauß auffressen können.
Und mehr.
Fleischfressende Pflanzen, die sich nicht mit Kleinigkeiten, wie Käferchen und Motten zufriedengeben. Die verschlingen auch Wirbeltiere, die sie zuerst betäuben, ersticken oder auf die Nase boxen.
Organismen, denen alles zuzutrauen ist, schön und gefährlich.
Imaginierte Naturformen, die nicht aus einer flauschigen Wellnesoase kommen. Diese Keramiken sind nur in einem momentan versteiften Aggregatzustand. Nachts wandern die hin und her und suchen ihre Beute.
Maya Fenderl baut ihre Gefäße. Das ist Keramik wie aus der Salzmünder oder der Präkolumbianischen Kultur. Die kamen ja auch prima ohne Töpferscheibe zurecht. Die Gefäße sind befreit von der Rotation, von der schnelldrehenden geglückten Form, mit ihrer Verpflichtung auf Norm und Nützlichkeit. Man kann immer noch Irgendetwas ausformen oder anbauen.
Die aufgebaute Keramik ist vornherein ein größeres Experiment. Die Gefäße wachsen unter der Hand. Es werden Dinge ausprobiert, die man sich sonst nicht traut. Immer bis an die Grenze der Statik. Das Objekt emanzipiert sich von der Eiform, vom Rotationskörper.
Bei einigen Gefäßen wachsen wie frische Triebe – gerade oder leicht gestaucht – oben seltsame Riesenmakkaroni hervor. Als hätte es sich das Ding anders überlegt und streckt einen Saugrüssel vor, um den Raum abzuschnorcheln. Schlanke Hälse. Diese Profile kommen aus einer Tonpresse. Die könnten ewig weiterwachsen. Frau Wittenbecher hat es völlig treffend formuliert: „Die Dinger sehen geil aus“.
Die Leuchtkraft der Engoben und Glasuren sind eine auffälligen Warnzeichnung in tropische Farben. Sie verstärken den Eindruck einer Explosionsgefahr der überreifen Körper. Maya Fenderl hat mit dem Aposematismus als Gestaltungselement die wahrlich gut und breit aufgestellte hallesche Keramik bereichert.
MERKE: Aposematismus, gelegentlich auch Warnfärbung genannt, bezeichnet die auffällige Färbung von Tieren, mit der potentiellen Fressfeinden nicht nur Präsenz, sondern auch Ungenießbarkeit oder Wehrhaftigkeit signalisiert wird. Aposematismus ist damit das Gegenteil der Tarnung. Wir kennen das vom Feuersalamander, vom Sumatra-Tiger oder von uns selbst.
Oder mit Rilke:
Denn das Schöne ist nichts / als des Schrecklichen Anfang
Mich würde schon interessieren, was die Gutachter von der Burg zum Diplom so erzählt habe
MAYA FENDERL
Ausbildung
2011-2013 Studium der Italianistik und Kunstpädagogik Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), München
2014-2017 Tischlerlehre an der Berufsfachschule für Holzbildhauerei und Schreinerei, Berchtesgaden
Berufliche Stationen
2017-2024 Studium der freien Kunst in der Fachrichtung Keramik an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Halle (Saale)
Bedeutende Ausstellungen
2024 Ausstellung auf der internationalen Handwerksmesse im Rahmen der Nominierung für den „Talente Wettbewerb“, München
2023 Ausstellung „Burg Voyage“ der Landesvertretung Sachsen-Anhalt, EU-Parlament, Brüssel Klassenausstellung „Teloneros“ im Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Saale)
2023 Teilnahme bei der Ausstellungsreihe „ABC: T für Traum“, Burggalerie im Volkspark, Halle (Saale)
2022 Teilnahme an der Sommerausstellung der „Galerie Nord“ und der Galerie „Zeitkunst“, Halle (Saale)
2020 Klassenausstellung „Stockschwamm“ in der Galerie Handwerk, München
Auszeichnungen
2024 Bayerischer Staatspreis 2024
BRUDLOFF
Kunst war nie eine Wahl – sie war immer da. Geboren 1964, führte mich mein Weg zunächst in die Welt der Mode: An der ESMOD München (1989-1991) tauchte ich in Stoffe, Schnitte und Ästhetik ein, doch mein Blick wanderte weiter. Ich wollte tiefer gehen, das Wesen von Form und Ausdruck erforschen. 2004 begann ich ein künstlerisches Grundstudium in klassischem Zeichnen und Malen im Akthof München sowie an der Akademie München. Die Faszination für Meisterwerke ließ mich nicht los: 2007-2008 entstanden in der Alten Pinakothek detailgetreue Kopien von Peter Paul Rubens und Leonardo da Vinci – ein intensives Studium von Technik, Farbe und Komposition.
London wurde mein nächstes Atelier. Zwischen 2008 und 2011 tauchte ich in die Kunstszene der britischen Metropole ein, arbeitete in den Kensington Palace Studios und vertiefte meine Fähigkeiten an der Royal Academy of Arts sowie der Prince’s Drawing School. Dort beschäftigte ich mich intensiv mit Radierung – unter anderem bei Martin Shorts.
Seit 2011 lebe und arbeite ich als freischaffender Künstler in Halle (Saale). Mein Werk hat sich weiterentwickelt: Heute entstehen abstrakte Landschaften, inspiriert von Natur, Lichtstimmungen und der Reduktion auf das Wesentliche. Ich arbeite mit erdigen, gedeckten Tönen, breche Strukturen auf und lasse durch bewusste Unschärfe Räume entstehen, die sich zwischen Erinnerung und Atmosphäre bewegen.
Diese Arbeiten sind keine Abbildungen – sie sind emotionale Landschaften. Sie spiegeln Übergänge wider, Grenzen zwischen Stille und Bewegung, zwischen Erdung und Auflösung.
2013 und 2018 wurde meine künstlerische Entwicklung durch Stipendien der Kloster Bergeschen Stiftung und der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt unterstützt.
Meine aktuelle Serie setzt sich mit dem Zusammenspiel von Horizontlinien, Schichtung und Farbtiefen auseinander. Die Reduktion auf Schwarz, Grau, Ocker und Weiß erzeugt eine ruhige, fast meditative Spannung – eine Reflexion über Natur und Raum, aber auch über Zeit und Vergänglichkeit.
Meine Kunst ist geprägt von klassischer Technik, zeitgenössischer Auseinandersetzung und der Suche nach dem Wesentlichen. Sie bewegt sich zwischen Tradition und Experiment, zwischen präziser Beobachtung und freiem Ausdruck.
Maya Fenderl
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Vase als keramische Plastik.
In unterschiedlichen Formaten begebe ich mich auf die intuitive Suche nach einem kompositorisch-sinnlichen Miteinander von Farbe und Form. Die frei geformten, gedrehten oder extrudierten Elemente, sind durch organische Strukturen und Oberflächen definiert. Dabei überlagern sich Formen, Strukturen und Farbkontraste und werden zu einer spielerischen Einheit. Es entstehen abstrakte Plastiken mit teils wesenhaftem Charakter von fröhlicher Ausstrahlung, mit schrillem und extravagantem Gemüt, deren Form wie Vasen anmuten möchten, deren Gebrauch jedoch zweitrangig wird.
Mein Anliegen ist es, mit meinen Arbeiten einen Hauch Absurdität und bunte Skurrilität in unsren visuellen Alltag zu bringen: ein Moment der Überraschung und des Erfreuens.
Meine Kunst bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Landschaft.
Die Horizontlinie ist dabei ein zentrales Element, das Erdung und Orientierung bietet, während Farben und Strukturen Räume öffnen, die sich immer wieder neu formen. Erdtöne, Schwarz und Weiß treffen aufeinander, ringen miteinander und finden dennoch eine Balance. Das Spiel von Licht und Dunkelheit, von Dichte und Leere wird zum Sinnbild für die Gegensätze, die uns prägen: Chaos und Ordnung, Bewegung und Stille, Wildheit und Harmonie.
Die Texturen meiner Werke laden den Betrachter ein, nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Gefühl zu sehen. Pinselspuren und Schichtungen erzählen von einem malerischen Prozess, der sowohl spontan als auch kontrolliert ist – ein Dialog zwischen dem Zufall und der bewussten Entscheidung.
Meine Arbeiten sind keine klassischen Landschaften, sondern innere Landschaften.
Sie sprechen von Übergängen und Transformationen, von dem Unausgesprochenen, das zwischen den Farbflächen mitschwingt. Sie laden den Betrachter ein, in eine stille, manchmal archaische Welt einzutauchen, in der es um mehr als nur das Sichtbare geht.